Buchempfehlung: „Ylipulli“ von C. G. Irod
Abb. 1: Buch-Cover “Ylipulli“
Das Erstlingswerk „Ylipulli“ von C.G. Irod ist eine Erzählung, die sich seiner Passion, dem Spielen des Tischfußballspieles „Tipp-Kick“ widmet. Das Buch ist Anfang April 2024 beim story.one-Verlag erschienen und umfasst 74 Seiten.
IROD, C.G. (2024): Ylipulli, 74 S., story.one, Wien.
ISBN: 978-3-7115-2728-8, erwerbbar für 18 € bei der Thalia-Buchhandlung (für eine Bestellung klicke hier).
Leseprobe:
“Folgenden Namen solltet ihr wenigstens einmal gehört haben: Hirschlanden. Ihr wart bestimmt noch nie dort. Nun – dann aber nichts wie hin. Es gibt Orte, da weiß kein Mensch, was er dort soll. In Hirschlanden weiß es jeder. Da liegen früh am Morgen unzählige Tipp-Kick-Bälle auf den Fußwegen und Straßen. Kinder lutschen und knuspern an ihnen, Eichhörnchen sammeln sie auf und tragen sie in die Turnhalle.”
Interview mit dem Buchautor C.G. Irod:
DTKV: Hi Christian, sei gegrüßt. Das ist ja der Hammer! Tipp-Kick feiert in diesem Jahr seinen 100. Geburtstag. Und dann kommt nach 100 Jahren die erste Tipp-Kick-Erzählung eines “Profis“, die in Buchform verfasst wurde, auf den Markt. Bislang gab es kaum literarische Werke über uns (Anm. der Red.: z.B. Rainer Moritz mit „Fräulein Schneider und das Weihnachtsturnier“, edition chrismon). Hand aufs Herz: war das so geplant?
C.G. Irod: Ich wollte eigentlich einen Roman schreiben, leider habe ich es nicht geschafft, rechtzeitig fertig zu werden. Tipp-Kick ist einfach zu groß, zu gewaltig. Es übersteigt und überfordert uns alle. Ein Verlag hat mir angeboten, diese kleine Version zu veröffentlichen.
DTKV: Aber zuerst noch einmal zu dir. Du bist ja seit Jahrzehnten begeisterter Tipp-Kicker. Weißt du noch, wann du dich beim Verband angemeldet hast? Wie viele Jahre hattest du schon zuvor im Wohnzimmer gespielt? Was genau löste den Tipp-Kick-Virus aus?
C.G. Irod: Ich muss wohl schon im Mutterleib ordentlich getreten haben. Meine erste Deutsche Meisterschaft habe ich 1978 gespielt. Am Tipp-Kick mochte ich immer, dass man im Gegensatz zu dem Kurbel-Tisch-Kicker einen Ball in den Winkel schießen konnte und nicht nur in so ein Plumpsklo versenken …
DTKV: Schaut man sich deine sportliche Vita an, hast du auch einige Erfolge einheimsen können. Zwei Turniersiege, darunter den Bembel Cup 2018 mit prominenter Besetzung, immerhin drei Teilnahmen an Endrunden der Sektionsmeisterschaften 1980, 1984 und 2022, die dich in den „Club der alten Haudegen“ (hier) auf Platz 4 hievten, was motiviert dich weiterhin am zwölfeckigen Ball zu bleiben? Bist du ein „Bekloppter“ (Anm. der Red.: Zitat im Buch), oder wie es jüngst ein Bundesliga-Spieler aus Kaiserslautern formulierte, einer von „den Tipp-Kickern, die alle eine oder mehrere Schrauben locker haben?“
C.G. Irod: Mein größter Erfolg im Tipp-Kick war die Gründung von „SpielTrieb Ylipulli Gießen“ zusammen mit meinen Freunden. Meine Motivation, warum ich noch spiele? Nun, ich habe mir vorgenommen, ich spiele so lange, bis ich es kann. Also werde ich wohl noch ein Weilchen spielen und alle ein wenig ärgern.
DTKV: Zurück zu deinem Buch. Beim Durchblättern der alten Rundschau-Hefte (Anm. der Red.: Verbandszeitung des DTKV) fällt auf, dass du immer wieder mal einen oftmals satirischen Artikel platzieren konntest. Hat sich hier schon deine Leidenschaft zum Schreiben angedeutet?
C.G. Irod: Meine früheren Artikel waren der Tatsache geschuldet, dass ich so schlecht gespielt habe. Ich wollte, wenn ich schon nicht der beste Tipp-Kicker der Welt sein kann, wenigstens derjenige sein, der am Besten auf der Welt darüber schreiben kann…
DTKV: Wann kam dir die erstmalige Idee ein Buch zu verfassen? Hast du dann auch einzelne Notizen gemacht so wie andere Briefmarken sammeln?
C.G. Irod: Die Idee kam vor vielen Jahren. Es gibt tausende von Liebesromanen, tausende Krimis, aber kein gutes Buch über Tipp-Kick, keine Welt-Literatur über Tipp-Kick! Ich habe viele Notizen gemacht, ca. 500 Seiten, und immer wieder umgeschrieben. Schreiben ist ja nichts anderes als immer wieder umschreiben. Und was ist passiert? Es ist eine Liebesgeschichte geworden! Aber eine der anderen Art.
DTKV: Das Buch ist eine hochgradige Hommage an alle Freunde des Tipp-Kick-Sports, den Anfängern genauso wie den erfahrenen Hasen oder den Sieger- wie auch den Verlierertypen, dem Ehrgeizigen oder dem Immeraufeinemlevelverharrenden. Er sieht sich gespiegelt. Was kann der normalsterbliche Nicht-Tipp-Kicker dagegen aus deinem Buch lernen?
C.G. Irod: Er kann lernen, sich anständig um die Dinge in seiner Nähe zu kümmern und wenn er in Afrika ist, auf Landmienen (sic!) aufzupassen. Außerdem sollte der Nicht-Tipp-Kicker einmal in seinem Leben den Namen „Normann Koch“ gehört haben, denn ihm ist das Buch gewidmet. Aber das aller Wichtigste ist natürlich der „Ylipulli“. Ich möchte, dass dieses Wort in den Duden und in die Alltagssprache aufgenommen wird. Der „Ylipulli“ ist im Grunde eine „Figur der Moderne“, eine Gestalt, die die abendländische Philosophie ergänzt.
DTKV: Schon auf Seite 1 wird das Wort „Bein“ achtmal aufgeführt. Bist du ein Bein-Fetischist?
C.G. Irod: Das Bein ist nun mal wichtig bei einer Tipp-Kick-Figur. Und ja: ich liebe lange blonde Beine!
DTKV: Es gab und gibt es immer wieder einzelne Tipp-Kick-Spielerinnen, die in der Szene – sehr zur Freude der männlichen Kontrahenten – in Erscheinung traten. Frauen spielen in deinem Buch keine Rolle, wie kommt das?
C.G. Irod: In dem geplanten Roman, der hoffentlich nächstes Jahr erscheint, tauchen hin und wieder Frauen auf, aber nur solche, die auf die Frage: „Darf man in deinem Schlafzimmer rauchen“ antworten: „Nein, nur Tipp-Kick spielen!“
DTKV: So manche Tipp-Kick-Konkurrenten und auch Freunde werden in deinem Buch erwähnt: Jens Jepp, die Wegener-Brüder – von Oliver Wegener stammt übrigens auch das Cover-Foto -, Bernd Weber, Thomas Ruchti. Diese Männchen-Bauer traten erst 20 Jahre nach deinem Verbandseintritt in das Bewusstsein der Tipp-Kicker. Was war in den Jahren zuvor?
C.G. Irod: In den Jahren davor hat man die Tipp-Kick-Figuren in Ruhe gelassen und nur ab und zu an ihnen etwas herum gefeilt. Da wurden keine Beine entfernt. Es war die Gußbleierne-Zeit.
DTKV: Dein Buch hat eine gewisse geistige Nähe zu dem 2004 produzierten Kinofilm „Aus der Tiefe des Raumes“, Zitat: „die chemische Zusammensetzung des Badewannenwassers“, in dem eine Tipp-Kick-Figur sich zu einem Menschen (Anm. der Red.: Günter Netzer) wandelte. Für den Fall, dass deine Püppchen dasselbe Schicksal ereilen würde, wären deine „Püppchen“ (Anm. der Red.: interner Kosenamen für die Tipp-Kick-Spielfiguren) auch deine besten Freunde?
C.G. Irod: Dem Buch ist ein Gedicht vorangestellt. Ein Mensch hat Angst davor, dass sein Kaninchen zu ihm sprechen könnte. Meine Figuren würden nur wenig Gutes über mich sagen. Meine Tipp-Kick-Figuren hassen mich, da ich dauernd an ihnen herumschraube. Außerdem treffen sie einfach nicht das Tor. Dafür hasse ich sie! Bis zum nächsten Eckballtor. Dann liebe ich sie wieder!
DTKV: Sehr ausdrucksstark ist deine Beschreibung der Bemalung der beim Hersteller Mieg frisch hergestellten Tipp-Kick-Figuren: „Mein Gesicht? Noch nicht vorhanden in Schwenningen. Es wurde später aufgemalt in Afrika. Von einer Frau … Mein Gesicht … Es ist ein wunderschön trauriges Gesicht, mit einem sanft-präzisen Blick, so eine Baptiste-Deburau-Fresse …“. Man liest die wohlklingenden Sätzen und wird dann bei so derben Begriffen wie „Fresse“ plötzlich auf den Boden der Tatsachen geholt. Ist das beabsichtigt?
C.G. Irod: Ja, das ist beabsichtigt. Der „Ylipulli“ ist eine so komplexe Figur, dass die Sprache auf keinen Fall gleichförmig sein darf. Die Sprache muss quasi einen Schluckauf bekommen. Das ist schwer. Ich weiß nicht, ob mir das in diesem Büchlein gelungen ist …
Abb. 2: Baptiste Deburau (1796-1848). Eine gewisse Ähnlichkeit mit den Tipp-Kick-Gesichtern lässt sich nicht leugnen!
DTKV: Es gab da vor Jahren so einen brasilianischen Exzentriker, der führte Selbstgespräche mit seinen Kickern, die auch Namen berühmter Fußballer trugen. Haben deine „Püppchen“ auch Namen?
C.G. Irod: Nein, keine Namen. Als Kind habe ich manchmal einer Figur einen Namen auf den Rücken gemalt, Bonhof oder Simonsen.
DTKV: Dein Buch könnte ins Guinness-Buch der Rekorde kommen. Weißt du warum?
C.G. Irod: Nein, erkläre es mir.
DTKV: Auf geschlagenen 25 Buchseiten beschreibst du, nein, sezierst du einen (!!!) Tipp-Kick-Schuss, der am 15. September 2001 von Normann Koch, dem Serienmeister aus Lübeck, in Richtung Jens König, dem Serienmeister aus Hannover, abgegeben wurde und den Alexander Beck, Serienmeister aus Frankfurt, als Schiedsrichter des Spieles bewerten musste. Puuuh, gut, dass du nicht alle Schüsse dieses Spiels beschrieben hast. Gleichzeitig war dieser Schuss die Gründungssekunde aller „Ylipullis“ dieser Welt. Konntest du in der nachfolgenden Nacht gut schlafen?
C.G. Irod: Wie gesagt, dass Büchlein ist die Kurzversion. In dem Roman werde ich die wenigen Sekunden, die der Ball unterwegs war, auf über hundert Seiten beschreiben. Denn da wird der Torwart von Jens König noch auftauchen, denn dieser arme Kerl war es, der mit dem „Ylipulli“ klar kommen musste. Einen „Ylipulli“ gab es bestimmt vorher schon. Aber es gab halt noch keinen Namen für diese Gestalt. Jetzt sieht man dauernd welche. Überall. Nicht nur auf dem Tipp-Kick-Feld. Neulich erst ist mir einer im Treppenhaus begegnet!
DTKV: Mir hat das Lesen sehr viel Spaß bereitet, ich kann es uneingeschränkt empfehlen. Ein Muß für alle Tipp-Kick-Freunde. Ich danke dir, Christian, für deine Antworten.
C.G. Irod: Ich habe dir zu danken, lieber André, für deine genaue Lektüre.
Das Interview wurde am 17. April 2024 von André Bialk, Präsidiumsmitglied des DTKV, mit C.G. Irod (Christian Schäl) geführt.