Seit wann spielst du Tipp-Kick und wie bist du dazu gekommen? Kannst du dich noch an alle Vereine erinnern, bei denen du in der Vergangenheit gespielt hast? Welche waren das?
Ein guter Freund hatte ein Tipp-Kick Spiel zu Hause, wir spielten einige Zeit auf dem guten alten Rollfeld. Das war 1980. Irgendwann ein oder zwei Jahre später entdeckte ich eine Anzeige vom Verband in der Hörzu. Rudi Fink war damals Verbandspräsident. Ich rief ihn an und bekam eine Adresse von einem Interessenten aus Bochum namens Frank Kamelski. Der spielte mit ein paar Kumpels und ich brachte auch noch jemanden mit. Wir gründeten die TKF Fortuna Bochum. Später kam noch mein Sandkastenfreund Egbert Linthorst dazu und wir fuhren eines Tages zu einem kleinen Turnier des damaligen Sektionsleiters Rüdiger Kijewski nach Waltrop, wo wir die Gebrüder Kloß aus Recklinghausen kennengelernt haben. Nach dem Aus des Bochumer Vereins spielten wir dort eine Saison (1984/85). Ein Jahr später wechselte ich zur SpVgg. Witten, die später eine SG mit Waltrop bildete. Das war ca. 1989/90. Nach der Auflösung der Spielvereinigung ging ich ganz zu Preußen Waltrop. Dort blieb ich bis 1998, legte dann eine Pause ein, spielte jedoch weiter ab und zu Turniere. 2001 hatte auch Egbert Linthorst wieder Bock auf Tipp-Kick und wir Wattenscheider gründeten mit Michael Tornow (Ruhe in Frieden, Michael) und anderen Duisburgern United Wattenburg. Nach drei Spielzeiten löste der Verein sich auf und ich wechselte zum TKC Herne Gelsenkirchen, später dann wieder zu Preußen Waltrop. Dort spielte ich bis 2010 und legte wieder eine Pause ein. 2015 traf ich Siggi Gies auf der DEM in Bornheim und er überzeugte mich davon nach Gevelsberg zu wechseln, wo ich bis heute spiele.
100-Jahr-Feier Tipp-Kick: Ganz rechts Stefan Peukert, das Schild „TKC Gevelsberg“ haltend.
Was war für dich dein persönlich größter sportlicher Erfolg?
Größter Erfolg war 1992 die Meisterschaft in der 2. Liga West mit der SG Waltrop/Witten II, verbunden mit dem Erstligaaufstieg. Die Mannschaft löste sich jedoch im Sommer auf, da Paulo Vicente und Thomas Wegge den TKC Sprockhövel gründeten und Michael Kernchen und ich in die 1. Mannschaft gingen, da die Gebrüder Hahne eine Pause einlegten.
Größter Einzelerfolg war das Erreichen der Vorschlussrunde bei der DEM 2003 (Platz 22) und Platz 7 beim Ostalb-Turnier 2004 mit 6:4 Punkten in der Endrunde.
Osnabrücker Stadtmeisterschaft 1992: Stefan Peukert (links) gegen einen unbekannten Gegner.
Warum ist Tipp-Kick für dich so faszinierend? Was hebt diese Sportart von den anderen Randsportarten ab? Fühlst du dich als Exot?
Tipp-Kick macht einfach Spaß, weil das Spiel mit seinen verschiedenen Schussarten so viel Power hat und es nie langweilig wird. Exot? Nein! Die meisten Leute, die es belächeln, sind doch überrascht, wenn sie mal bei einem Match zusehen und merken, wie viele Möglichkeiten Tipp-Kick bietet.
Wer sind deine Lieblings- und Angstgegner?
Lieblings- oder Angstgegner sind für mich nicht zu benennen, da meine Leistungen zu sehr schwanken. Ich kann gegen fast jeden Spieler in einem guten Spiel punkten und ein paar Minuten später gegen einen schwächeren Spieler verlieren.
Es gibt nur sehr wenige weibliche Tipp-Kick-Spielerinnen. Warum deiner Meinung nach?
Wahrscheinlich sehen viele Frauen Tipp-Kick als eine Art Männerdomäne. Das es auch anders geht, sieht man bei der 2. Mannschaft meines Vereins, in der zwei Frauen regelmäßig zum Einsatz kommen (Manu Winter und Monika Loferski) oder bei der SG Rheinland/Düsseldorf mit Michaela Nagel.
Wenn du das Tipp-Kick aus deiner Anfangszeit vergleichst mit dem heutigen Tipp-Kick, was hat sich definitiv gewandelt?
Die größte Veränderung fand Anfang der 90er mit dem Farbspiel statt. Ein Spieler, der kaum Farbfehler macht und sich wenig Fehlschüsse leistet, kann seinen Gegner schon ziemlich unter Druck setzen. Auch das Spielermaterial hat sich durch die Stahlbeine und die Kugellager sehr verändert. Früher konnte es passieren, dass irgendwann das Bein im Tor lag, wenn man zu viel gebrettert hatte. Das gab dann immer ein großes Gelächter.
Gibt es eine Tipp-Kick-Regel, die du abschaffen würdest, wenn du es verfügen dürftest?
Wir sollten es bei den aktuellen Regeln belassen.
Die Tipp-Kick-Szene verzeichnet rückläufige Mitgliederzahlen. Was wäre dein Rezept, um diesen Trend zu stoppen?
Vor Turnieren sollte die örtliche Presse ins Boot geholt werden. In den Vorberichten muss hervorgehoben werden, dass jeder dort mitspielen kann, Neulinge kein Startgeld bezahlen und mit Material ausgestattet werden (Pro-Team-Sport). Pokale für die besten Neulinge sind Pflicht. Diese Form der Anerkennung vergisst man nicht so schnell! Die Vereine sollten sich regelmäßig in der Öffentlichkeit bei Veranstaltungen präsentieren. Wenn der Erfolg nicht gleich kommt, sollte das Motto lauten: Immer weitermachen. Irgendwann zahlt es sich aus!
Stefan Peukert bei einer Tipp-Kick-Präsentation beim AVU- Familienfest in Gevelsberg.
Würdest du eine Professionalisierung des Tipp-Kick-Sports begrüßen? Preisgelder? Auftreten aller Spieler in Trikots? Turniere unterschiedlicher Alters- oder Leistungsklassen?
Tipp-Kick sollte ein Hobby bleiben. Preisgelder gerne, aber nur durch Sponsoren, auf keinen Fall durch höheres Startgeld. Das schreckt die breite Masse ab.
Was würde dich motivieren, wieder häufiger auf Turniere zu fahren?
Mehr Turniere würde ich spielen, wenn es mehr Veranstaltungen in NRW geben würde. Weite Anreisen mache ich nur noch mit Übernachtung.
Wenn du mit wenigen Sätzen einem Tipp-Kick-Anfänger etwas raten müsstest, was wäre das?
Anfänger sollten sich durch hohe Niederlagen nicht abschrecken lassen und gegen möglichst viele verschiedene Gegner spielen. Sie sollten sich nicht scheuen, ihr Gegenüber nach ein paar Tipps zu fragen und werden dann schnell merken, wie viel Spaß Tipp-Kick macht!
Vielen Dank, Stefan, für die Beantwortung der Fragen und die mitgelieferten Bilder!
https://dtkv.info/wp-content/uploads/2025/07/Sommerlochfragen-scaled.jpg25602092André Bialkhttps://dtkv.info/wp-content/uploads/2017/05/DTKV-300x132.pngAndré Bialk2025-07-05 13:14:072025-07-05 16:10:34Sommerloch-Fragen an … Stefan Peukert!
Peter Funke. Eine Laudatio an einen Tipp-Kicker, dessen Liebe zu unserem Sport seit 50 Jahren währt!
Abb. 1: Peter Funke 2017 in Davos
Am 21.06.1975 fand die Süddeutsche Einzelmeisterschaft in Stuttgart statt. Die örtliche Presse berichtete und der 13-jährige (!) in Kornwestheim lebende Peter Funke zögerte nicht lange und meldete sich für das Turnier an. Damals wurden die Vorrunden in Vierergruppen mit Hin- und Rückrunde gespielt. Peter Funke erlebte ein sportliches Waterloo, fünfmal verlor er deutlich. Im sechsten Spiel jedoch bezwang er seinen Gegner Costa Zahariades mit 7:6. Dieser ärgerte sich maßlos. Doch das Feuer in Peter war entfacht. Die Spielstile der anderen Mitspieler sehen zu können, muss ihn sehr beeindruckt haben.
Abb. 2-5: Bilder und Artikel von der SEM 1975. Peter Funke ist auf dem Gruppenfoto der junge Mann im blauem Hemd, schräg links hinter der blonden Dame im gelben T-Shirt (zum Vergrößern der Bilder bitte den Vergrößerungspfeil im unteren Bildbereich anklicken).
Es währte keine 2 Monate und Peter meldete sich bei der „Sport- und Spielgemeinschaft von 1972 Stuttgart“ (kurz: „SSG Stuttgart“) als Vereinsmitglied an. Seine Mannschaftskameraden Dietmar Häfner und Werner Glück waren etwa 15 Jahre älter, aber bereits erfahrene Spieler, die ihm viel vermitteln konnten. Sein sportlicher Mentor wurde jedoch Beno Garstka, der nur wenige Jahre älter war. Als später mit seinem Klassenkameraden Arno Schnelle ein weiterer Spieler zu der SSG stieß, konnte er seinerseits sein Wissen weitergeben.
Peter trainierte in seiner Jugend wie besessen. Stundenlang wurde bei den Mannschaftskameraden zuhause oder im Jugendhaus trainiert. Seine Stärken waren in den ersten Jahren sein Sturm und seine Fähigkeit, exzellent zu kontern. Das taktische Vermögen und seine Abwehr waren noch damals sehr verbesserungswürdig. So gewann er in einer Endrunde mal 12:6 gegen Wolfgang Graf, einem Großen seiner Zeit. Dieser meinte nur: „Das wird ihm nie wieder gelingen!“ Und im nächsten Spiel gewann Graf 3:2 gegen ihn dank einer stark veränderten Taktik. Aber Peter lernte schnell dazu.
Nach wenigen Jahren setzte sich sein Talent durch und sein Trainingseifer zeigte immer mehr Früchte. Er gewann Anfang 1978 vereinsintern die erste Cup-Meisterschaft und setzte sich dabei gegen stärkste Konkurrenz durch. Auf der SEM 1978 in Würzburg zog er fast ins Finale ein, verlor aber das entscheidende Spiel. Und Ende 1978 hieß es wiederum intern: „Ein Start-Ziel-Sieg für Peter Funke. Seinen Angstgegner Werner Glück fegte er mit 10:3 von der Platte.“ Im gleichen Jahr wurde er deutscher Vizemeister mit der Mannschaft. In alten Quellen des Verbandsarchives (Vereinszeitung „Prisma“ der SSG Stuttgart von 1979 und Verbandszeitung „Süddeutsches Tipp-Kick-Magazin“ von 1978) liest man in den Berichten zu den Bundesliga-Punktspielen:
„ … Der kaum erwartete Sieg P. Funkes gegen A. Haufe wendete das Blatt …“, „… die guten Geister hießen diesmal P. Funke und Garstka …“, „… Ergebnisse, die nie und nimmer zueinander passen, schafft immer wieder P. Funke. Einesteils verliert er in Katastrophenmanier 0:6, versäumt es jedoch nicht, dem nachfolgenden Gegner ein kräftiges Ding reinzujubeln …“ usw.
Seine andere Leidenschaft „Fahrrad“ verband er seit frühesten Zeiten mit dem Tipp-Kick-Sport. So radelte er mit dem Fahrrad zu einem Turnier von Stuttgart an den Bodensee. Und dann gab es ein Wochenende, an dem zwei Turniere stattfanden. Unglücklicherweise vergaß er beim ersten Turnier seine Spieler, also setzte er sich flugs auf Rad und radelte erneut zum Turnierort, um seine Spieler zu holen. So konnte er dann auch sonntags beim anderen Turnier mitspielen. Keine Strecke war ihm als Radler zu weit oder zu schwer. So radelte er 2017 von München nach Davos (1.560 m über NN), um an einem Schweizer Turnier teilzunehmen. Und in jüngster Zeit radelte er nach Laon in Frankreich, wo sich ein neuer Verein (TKC Axonais) gegründet hatte und er tatkräftig Unterstützung leistete.
Abb. 6: Peter Funke als Radler
Die Fairness, die Peter von früher Jugend begleitete, wurde für ihn gelegentlich auch zum Bumerang. So trafen in einem süddeutschen Turnier in Karlsbad in den 80er-Jahren in einer Vierergruppe die damaligen Spitzenspieler Werner Glück, Michael Steinfeld, Peter Funke und der gehandicapte Spieler Grischa Eichfuß aufeinander. Der letztere spielte in einem Rollstuhl. Man sprach sich ab, gegen den letztgenannten Spieler auf Konter zu verzichten. Es kam wie kommen musste: drei Spieler hatten am Ende 4:2 Punkte und auf Grund des schlechteren Torverhältnisses schied jedoch Peter aus. Und das als Konterspieler und Mitfavorit des Turnieres. Großartig war auch sein Vorschlag bei einem Endspiel der DEM auf einen Schiedsrichter zu verzichten, als Signal an die Tipp-Kick-Gemeinschaft. Doch sein Gegner im Endspiel lehnte diesen Vorschlag leider ab.
Peter spielt nun seit über 50 Jahren Tipp-Kick. In den 80er Jahren heimste er die meisten Erfolge ein: er war vierfacher Deutscher Mannschaftsmeister mit drei Vereinen, einmal Pokalsieger und mehrfach Sieger von Sektionsturnieren. Der Gewinn der Deutschen Einzelmeisterschaft 1984 in Schöppenstedt war sicherlich sein größter Einzelerfolg. Sportlich ist er immer noch in der Lage selbst in der Bundesliga zu punkten und ein großer Erfolg war ihm beschieden, als er am 4. März 2023 bei der Norddeutschen Einzelmeisterschaft den 4. Rang erkämpfte. Zwischen der ersten Endrundenteilnahme bei einem Sektionsturnier im Jahre 1977 und diesem Erfolg liegen mehr als 45 Jahre, was ihm Platz 2 im „Club der alten Haudegen“ einbrachte.
Kein Weg zu einem Turnier war Peter zu weit. Und immer wieder mal war er der Spieler mit der weitesten Anreise.
Abb. 7: Peter Funke reiste nicht nur weit, sondern gewann auch Turniere. Hier 1979 in Hamburg das Frühjahrsturnier (Quelle: Vereinszeitung Kickers Hamburg).
Peters Gastfreundschaft war legendär. Tipp-Kicker konnten in seiner Berliner Zeit bei ihm in Kreuzberg übernachten und er zeigte ihnen zudem als Fremdenführer Westberlin. So erinnert sich noch heute so mancher Sinziger sehr positiv an ein tolles Wochenende im Jahre 1983, an dem man viel erlebte, aber sportlich in drei Spielen auch die absoluten Grenzen aufgezeigt bekam.
Peter spielte nicht nur, sondern brachte sich über Jahre im Verband ein. Als langjähriger Vorsitzender des DTKVs versuchte er schwierige Entscheidungen, mit Kommunikation und viel Diplomatie zu fällen. Sperren vermied er durch eindringliche Appelle an die entsprechenden Spieler. Er spendete jahrelang uneigennützig monatlich einen kleinen Betrag in die Verbandskasse und auf seine jährliche Aufwandspauschale verzichtete er stets. Für den Tipp-Kick-Sport leistete er auch nach seinem Rücktritt weiterhin sehr viel. So unterstützte er tatkräftig die Ausrichtung der DEM 2024 in Schwenningen.
Abb. 8: Peter Funke als Mitorganisator der DEM 2024
Peter Funke ist ein Vorbild für uns alle, an und neben der Platte. Menschen wie ihn braucht der Tipp-Kick-Sport. Es sei aber auch nicht vergessen, dass es auch andere Tipp-Kicker gibt, die unseren Sport seit Jahrzehnten hochhalten. Ihnen allen ein großes Dankeschön!
Ein Dankeschön auch an Werner Glück, der so manches Detail zu diesem Artikel beisteuern konnte. Andreas Sigle besorgte die Bilder von der SEM 1975, die er einem Fotoalbum von Beno Garstka entnahm, und ergänzte mit seinem Wissen ebenso den Artikel. Danke auch diesen beiden Stuttgartern!
Fotonachweis: Abb. 1 u. 8 André Bialk, Abb. 2 bis 5 Beno Garstka, Abb. 6 Peter Funke
https://dtkv.info/wp-content/uploads/2025/06/FOTO-SEM-1975-4.jpg684705André Bialkhttps://dtkv.info/wp-content/uploads/2017/05/DTKV-300x132.pngAndré Bialk2025-06-23 16:05:222025-06-24 10:30:0650 Jahre Tipp-Kick. Eine Leidenschaft, die nie vergeht …
Wir schreiben das Jahr 1982. Damals, das waren alles ganz andere Zeiten. Kein Handy, kein E-Mail und kein Internet. Kein Wunder, dass für so einige Verrückte Tipp-Kick der Nabel der Welt darstellte. Man versuchte sich im Dauer-Tipp-Kick-Spielen und schraubte den Rekord hoch und höher. Man saß im Wohnzimmer an der Platte, feilte wie verrückt, bis die Püppchen in Serie trafen. Jeder hatte seinen eigenen „Harry Kane“, sorry, den gab es natürlich damals noch nicht. „Kevin Keegan“ hieß er damals. Und Beine müssen ein bisschen schlackern, nicht durch zwei oder mehr Kugellager eindimensional befestigt sein. Fragt mal den B.B. aus Hirschlanden, der sieht das ähnlich. Damals zählte man nicht die zweistelligen Siege, man zählte die Spiele, in denen man nicht zweistellig traf. So oder so ähnlich ging es im alten, beschaulichen Schleswig-Holstein zu. H.L. aus H. war so ein Verrückter. Er wohnte bei seiner Mutter, die ihm das Essen bei den Weltrekordversuchen in den Mund schob, während er spielte. Und als ihn später seine Frau vor die Wahl stellte, Tipp-Kick oder sie, wählte er, genau und das ist wirklich wahr: Tipp-Kick. Die Frau ließ sich scheiden und wurde nie wieder gesehen. Zu mindestens nicht in der Nähe einer Tipp-Kick-Platte.
Abb. 1: Herbert Lorenzen (links) bei einem Weltrekordversuch im Dauer-Tipp-Kick-Spielen mit Bernd Davids (rechts)
Damals gab es alleine für die Regionen Hamburg und Schleswig-Holstein eine eigene Regionalliga. Und weil sich schon recht schnell 11 Vereine angemeldet hatten, zog eine zwölfte Mannschaft, der TKV Tornado Kiel, gleich mal sein Interesse für den Spielbetrieb zurück. Den jungen Mitspielern um Frank Thieme waren das einfach zu viele Termine. Alles kein Vergleich mit heute, wo sich nur zwei oder drei Vereine in den Regionalligen tummeln und mit Dreier-Mannschaften gegeneinander antreten. Tipp-Kick war damals das Leben.
Damals, da bekam man nicht die Spieltage wie ein Süppchen serviert und vorgekaut. Nein, da musste man den Telefonhörer in die Hand nehmen und miteinander reden. Termine abmachen. Der Sektionsleiter hatte zuvor einen Brief mit den Adressen und Telefonnummern der Vereine verschickt und gab den Takt vor: „Mit den Spielen kann sofort begonnen werden. Die Saison dauert bis Ende Mai.“ Und dann gab es noch eine Extra-Ansage: „Das Original-Spielprotokoll wird mir zugeschickt … und schreibt einen … Spielbericht auf einen Extrazettel.“ Heute undenkbar. Der Spielbericht wird abfotografiert und per Messenger verschickt. Da verlernt man doch das Schreiben! Später mehr dazu und zu dem Verlernen.
Und dann schrieb man einen netten Brief an den Sektionsleiter. Mit den Terminen, den Beschreibungen zum Spielort („Erst einmal zum Bahnhof. Und dann die Bahnhofstraße runterfahren. Und dann rechts abbiegen. Gleich hinter der Eisenbahnbrücke links abbiegen und dann seid ihr gleich am Pfarrgemeindezentrum. Es hat einen Parkplatz.“). Wohl dem, der einen Stadtplan besaß und Karten lesen konnte. Und im Brief lag dann auch gleich die Anmeldung zum Mannschaftsspielbetrieb, der den Kader enthielt. Und das klappte alles! Zu mindestens in dieser Saison 1982/83 im hohen Norden.
Und dann trudelten sie ein, die Spielprotokolle. Der Sektionsleiter legte seitenweise Tabellen an, um den Saisonbesten zu ermitteln, Computer gab es nicht, doch – oh Graus – da wurden Spieler en masse nachgemeldet und hochgezogen, zumindest in gefühlt mehr als 50 % aller Spiele. Da musste man als Sektionsleiter schon mächtig aufpassen, dass alle (N) gesetzt wurden. 10 Mannschaften bedingen 40 Tipp-Kicker. Eingesetzt wurden 72 Tipp-Kicker. Die Spielberichte auf den Rückseiten der Spielprotokolle waren mal kurz, mal länger: „… und dann die erste große Überraschung. Klecz konnte Runge knapp 1:0 schlagen.“ Was war da los? Ein unglaubliches 1:0, kein zweistelliges Ergebnis? War die Torarmut ein Wink mit dem Zaunpfahl in Richtung Tipp-Kick-Zukunft?
Okay, dann muss mal die Aufklärung her: In der Bundesliga-Saison 2024 gab es 2 (in Worten: zwei) einzelne Resultate, bei denen einer der beiden Spieler mehr als 10 Tore schoss. Na gut, die Bundesliga ist nicht die Regionalliga. Also, in der Regionalliga West fanden in der Saison 2024 genau 56 Punktspiele statt, was wegen der Dreier-Teams 504 einzelne Spiele nach sich zog. In 22 Spielen schoss einer der beiden beteiligten Spieler 10 oder mehr Tore. Das macht nach Adam Riese, kaufmännisch gerundet, 4,4 % aller Einzelspiele. Und in der Regionalliga Hamburg/Schleswig-Holstein in der Saison 1982/83? Es gab 53 Punktspiele (2 Spiele wurden gewertet) mit insgesamt 848 einzelnen Spielen. Das sind deutlich mehr Spiele, aber es kommt auf das Verhältnis an. In sage und schreibe 160 Spielen schoss einer der beiden Spieler 10 und mehr Tore, in 5 Spielen sogar beide Kontrahenten. Das sind schlappe 18,9 %. Kevin Keegan und die Schlackerbeine lassen grüßen!
Nach dem Generationenvergleich zu den Themen Kommunikation, Karten lesen, Berichte schreiben abschließend das letzte Thema. Ja, die alten und die jungen Tipp-Kicker-Generationen einen zwei Themen: das Zwölfeckige muss ins Viereckige und gewonnen hat die Mannschaft nur, wenn das Spielprotokoll richtig zusammengerechnet wurde. Damit sind wir beim nächsten Thema: der Mathematik. Der heutige Tipp-Kicker muss die einfache Addition beherrschen, nämlich das Zusammenzählen der Zahlen 1 bis 9. Kein Quadrieren, kein Wurzelziehen, kein Differential, kein Integral. Der Tipp-Kicker der 80-er Jahre musste auch zusammenrechnen, allerdings die Zahlen von 1 bis 20. Das ist schon deutlich anspruchsvoller. Um zum Kern zu kommen: in einer der Regionalligen (über den Namen der Sektion hülle ich mal lieber das Mäntelchen des Schweigens) der letzten Saison waren über 10 % (in Worten: ZEHN) aller handgeschriebenen Spielprotokolle falsch zusammengerechnet. Und in der Regionalliga Hamburg/Schleswig-Holstein von 1982/83? Ein (in Zahlen: 1 wie eins) Protokoll von 53 Protokollen war nicht korrekt addiert. Ein läppisches Törchen fehlte einem Spieler, nicht im Gesamtresultat, aber in der Einzelwertung. Hat das überhaupt irgendeine Relevanz? Ja, und jetzt folgt die steile These des Autors dieser Zeilen: die gesamten Pisa-Studien, die den Steuerzahler Millionen gekostet haben, kannste vergessen. Schickt mir die handgerechneten Spielprotokolle einer Region und ich sage euch nach ein paar Stunden, wo die regionalen Rechenprobleme am ausgeprägtesten sind. Nicht umsonst gab es das Bonus-Malus-System bei den Abiturnoten im Ländervergleich. Und jetzt kommt der Hammer. Der Tagespiegel (Berliner Tageszeitung) titelt am 11. Dezember 2024: „Pisa-Studie für Erwachsene. Ältere Jahrgänge sind besonders gut gebildet.“ Die Tipp-Kick-Szene geht also goldenen Zeiten entgegen, denn der Altersdurchschnitt nähert sich rapide der 50-Jahr-Grenze. Das macht Mut.
Und noch eine kleine Anmerkung: Wo stammt der einzige in Mathematik promovierte Tipp-Kicker der Gegenwart her? Richtig, aus Schleswig-Holstein, da wo die Sprotten ihr Unwesen treiben. Tipp-Kick bildet. Erst die Teilnahme an einem Kieler Turnier und der Gewinn von Schokoladen-Sprotten beseitigten die Bildungslücke des Autors. Sprotten sind eine Heringsart und in Kiel eine Delikatesse. Und wie heißt der promovierte Tipp-Kicker? „Von Hering“, nomen est omen. Gruß an Robert!
Jetzt endlich zum Sportlichen: Es standen sich zwei Lager gegenüber: die arrivierten Herren aus der Großstadt Hamburg mit ihrer ganzen Routine und ihren langjährigen Traditionen sowie die Jungspunde aus der Provinz. Nein, sie waren nicht hochnäsig die Hamburger. Es waren teilweise Studenten mit riesigen, wuschigen Bärten. Wie es sich 1982/83 gehörte. Die Haufe-Brüder. Wer kannte sie nicht? Das beeindruckte. Da musste man schon „Resilienz“ (besonders kluges, lateinisches Wort für Ehrgeiz, jedenfalls im weitesten Sinne) entwickeln, wenn man gegen die Urgewalten gewinnen wollte. Und die Jungspunde aus der Provinz? Gierig, gallig, heißblütig und die Besten der Besten von Ihnen sollten später auch den einen oder anderen großen Titel holen: Jens Runge aus Leck (das ist da, wo sich die Hühner an der deutsch-dänischen Grenze auf Friesisch grüßen) und Jan Klecz von dem Schülerverein Quickborn. Einige Monate nach der Gründung zählten die Rot-Goldenen schon über 30 Mitglieder (fast ausschließlich Schüler). 1993 holten der Jens und der Jan gemeinsam die Deutsche Mannschaftsmeisterschaft, doch die Jahre davor mussten sie beide durch die Tipp-Kick-Hölle des Nordens gehen. Das stählte.
Damals wurde natürlich auch taktiert. Man ließ sich die Aufstellung sagen und verwendete einfach unterschiedliche Spielprotokolle. Mal spielte im ersten Durchgang die 1 gegen die 5 sowie die 2 gegen die 6. Das kennen wir. Ein anderer Vordruck startete mit der 1 gegen die 8 und die 2 gegen die 7. Dann gab es noch lokale Subvarianten.
Abb. 2: Spielprotokoll mit den Anfangspaarungen 1 gegen 8 sowie 2 gegen 7, hier das Spiel 1. FC TKI Itzehoe I gegen TFC Kickers Hamburg II
Die Saison 1982/83 entwickelte sich recht spannend. Es gab schnell einen Dreikampf zwischen den beiden Hamburger Vereinen Kickers Hamburg I, Union Hamburg II und dem Verein an der dänischen Grenze, Wiking Leck I. Man ballerte was das Zeug hielt und sammelte zweistellige Ergebnisse wie andere Briefmarken. Irgendwann kassierte Union Minuspunkte und verabschiedete sich aus dem Mehrkampf. Am 23. April 1983, kurz vor dem Saisonende kam der Showdown in Leck. Erster gegen Zweiter. Leck war verlustpunktfrei, die Kickers mussten gewinnen. Und die Lecker spielten ganz lecker, sorry, locker auf: man ging 6:2, 9:3, 13:3 in Führung. Der Drops war fast gelutscht, da setzte das große Denken ein. Sind wir Jungspunde wirklich so gut, dass wir gewinnen können? Und der Gegner hatte nichts mehr zu verlieren. Spielrunde um Spielrunde ging nun an die Hamburger. 13:7, 13:11, 15:13, dann der Schlusspfiff. 15:17. Okay, nun hatten beide Mannschaften 18:2 Punkte. Einen direkten Vergleich gab es nicht und so rechnete man flugs die Spielpunkte zusammen. Man konnte ja rechnen und nach schneller Rechnerei hatten beide Mannschaften 273:77 Spielpunkte. Wieder unentschieden. Also, jetzt das Torverhältnis. 1131:683 für die Kickers und 1109:693 für Leck. Über tausend Tore in einer Saison geschossen? Beide Mannschaften? Wow! Kickers Hamburg lag also mit einer 32 Tore besseren Tordifferenz vorne und stieg auf. Dazu Glückwünsche, wenn auch verspätet nach 42 Jahren!
Letzte Anmerkung: Ein Dankeschön dem damaligen Sektionsleiter Heiko Mausolf, der seine akkurat geführten Sektionsleiter-Unterlagen der Saison 1982/83 an das Archiv des DTKV abgab. Gerne dürfen andere ehemalige Sektionsleiter seinem Beispiel folgen. In der Anlage befinden sich weitere Scans seiner Unterlagen. Die Spielprotokolle wurden in das Ligenverwaltungsprogramm von Peter Deckert eingegeben. Der Ergebnisdienst auf dieser Homepage wird die Saison 1982/83 der Regionalliga Hamburg/Schleswig-Holstein natürlich in sein Archiv aufnehmen. Nämlich hier!
Allerletzte Anmerkung: Allen ein schönes Weihnachtsfest … (und bitte, bitte, verschenkt das Tipp-Kick-Standardwerk von C.G. Irod: „Ylipulli“, es ist eine wunderbare Lektüre). Der Affiliate-Link ist hier!
Abb. 4: Typischer Spielbericht auf der Rückseite eines Spielprotokolls
https://dtkv.info/wp-content/uploads/2024/12/FOTO-RL-HH-SH-1982-83-Kreuztabelle.jpg13092174André Bialkhttps://dtkv.info/wp-content/uploads/2017/05/DTKV-300x132.pngAndré Bialk2024-12-14 03:10:202024-12-17 01:09:56Damals! In alten Sektionsleiter-Unterlagen von 1982/83 geblättert …
„Ravensburg spielt 2024“ und 4 Tipp-Kick-Profis sind dabei
An dem Wochenende 7. und 8. September findet in 88212 Ravensburg in den Zeiten von 11-18 Uhr 2 Spieletage statt. Und mittendrin dabei: Je 2 Tipp-Kick-Profis vom SV Kelheimwinzer und von PWR ’78 Wasseralfingen. Diese werden das Tipp-Kick-Spiel vorstellen, aber die Interessenten auch ermuntern, Vereine zu besuchen oder sogar zu gründen.
Am Samstag werden Felix und Uli Weishaupt (PWR ’78 Wasseralfingen) den Stand betreuen, am Sonntag Sascha und Ralf Item (SV Kelheimwinzer).
Die Stadt Ravensburg wirbt mit folgenden Informationen (Quellehier):
Informationen zur Veranstaltung
Komm, mach mit! Seid dabei, wenn sich Ravensburg wieder für zwei Tage in die größte Spielemeile Oberschwabens verwandelt! In der ganzen Innenstadt wird gespielt – und das kostenlos und für alle: Groß und Klein, Alt und Jung.
Spielemeile In vier Aktionsbereichen könnt ihr Brett- und Würfelspiele ausprobieren, selbst kreativ werden, sportlich aktiv sein oder digitale Spiele testen.
Bühnenprogramm Auf drei Bühnen gibt es unterhaltsame Shows zum Lachen, Staunen und Mitmachen. Lasst euch von Spiel, Tanz- und Sportvorführungen begeistern.
Highlights Am Riesen-Puzzle im Schwörsaal mitbauen, bei der langen Spielenacht bis 2 Uhr nicht müde werden, mit einer Rallye das Museumsviertel entdecken – das klingt nach Spannung und Spaß? Komm, mach mit!
Gut ankommen Informiert euch für eure Anreise im Vorfeld über Angebote des Stadtbusses und der Parkhäuser unter www.ravensburg.de/parken
Mithelfen an Spielestationen
Wer an den Spielestationen mithelfen möchte, kann ohne Anmeldung zur Helferbesprechung kommen: Mittwoch, 4. September um 19 Uhr in den Kornhaussaal in der Stadtbücherei. Wir freuen uns über neue Gesichter!
Hier der ganze Flyer der Stadt Ravensburg (Downloadhier):
https://dtkv.info/wp-content/uploads/2024/09/veranstaltung_ravensburg_spielt_2024-2.jpg5201141André Bialkhttps://dtkv.info/wp-content/uploads/2017/05/DTKV-300x132.pngAndré Bialk2024-09-06 10:36:302024-09-06 11:23:29Den Tipp-Kick-Sport bekannt machen – Das Beispiel „Ravensburg spielt 2024“ (7. bis 8. September 2024)
Damals, wir schreiben das Jahr 1995, das waren alles ganz andere Zeiten. Kein Handy, kein E-Mail und kein Googeln. Wenn man zum wichtigsten Turnier aller Turniere des Jahres wollte, setzte man sich in das Auto, den Zug, den Bus oder man nahm sie in die Hände, die Füsse, und wanderte per pedes zur DEM. Der Jakobsweg der Tipp-Kick-Verrückten kannte keine festen Wege und Grenzen, also begann am 10. September 1995 in Aitrach (Landkreis Ravensburg) „The Walk“ für Uli Weishaupt, Albrecht Keller und Bernhard Schupp. Hier ihr damaliger Bericht:
The Walk „We don’t need no Opel Corsa…“ (Aitrach – Hirschlanden 10.9.-15.9.95)
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PART I: Der Aufbruch
Der Aufbruch nach Hirschlanden ist ein Aufbruch in eine neue Zeit, das Zeitalter der uferlosen Promotion für Tipp-Kick und Plattfüße. Selbst in Führungskreisen des DTKV hielt man diese Mission nicht für möglich. Doch ein paar Unbeugsame aus dem wilden Süden trotzten allen Zweifeln und Wetterberichten: Am 10. September anno 1995 um 18.30 Uhr (MESZ) machten sie sich von Aitrach aus auf den Weg. Mit dabei war natürlich die eigens für die Expedition entwickelte und als Prototyp in Hepbach hergestellte High-Tech-Touren-Tipp-Kick-Platte (Typ: „The Walk – Alpha“).
PART II: Die Mission
Geplante Stationen der Mission waren u.a. Ochsenhausen, Laupheim, Blaubeuren und Bad Urach. Durch diese Tat sollten die Unwissenden der oberschwäbischen Prärie und der schwäbischen Alb tipp-kickisiert werden.
Die drei Kreuzkicker:
Bernhard, der Geschuppte Albrecht von der Kellerstiege Ulerich mit dem weisen Haupte
PART III: Das Licht ins Dunkel
Gut befußt wanderten die drei wackeren Recken hinaus in die fortan beginnende Wildnis. Alsbald wich der Tag den Mächten der Finsternis. Inmitten düstren Waldes überraschte sie ein fauchendes Ungetüm mit leuchtenden Augen und gebleckten Zähnen1). Darauf ritt ein Eingeborener, der sie vom rechten Weg abbringen wollte. Ihnen gelang die Flucht und „Hotz sei Dank“ erreichten sie unbeschadet ihr Ziel: Rot an der Rot.
Hier fanden sie das wahre Licht in zu vielfacher Menge, denn sie wollten sich zur Ruhe begeben. Um dem Verrat der Eingeborenen zu entgehen, mußten sie die Blendung mit Stoffen mindern.
PART IV: Der Kreuzweg
Der Tag des Mondes sollte unendliche Entbehrungen bringen. Tief gekrümmt unter den schweren Lasten gerieten sie auf Irrwege. Erst die weise Fee der Prinzebene2) öffnete ihnen die Augen. In Ochsenhausen verkündeten sie zum ersten Male die frohe Botschaft. Doch keiner der Heiden ließ sich bekehren. Zwar waren manche Ungläubige neugierig, zogen aber schnell von dannen, aus Angst vor der neuen Lehre. Enttäuscht nahmen die Drei ihren Weg dem Bächlein Rottum entlang weiter gen Norden.
Durch viele Siedlungen hindurch zogen sie eiligst hindurch, ohne Hoffnung, hier auf offene Ohren zu stoßen. Jedoch in Mietingen wurden sie von Zweien nach ihrem Ansinnen befragt. Nun zeigte der Tipp-Kick-Zauber Wirkung und die beiden jungen Menschen waren bald in seinem Banne. Sie stürzten sich auf den Altar der Begierde und gaben sich dem Spiel der unendlichen Wahrheit hin.
Am Abend konnten sich die drei Kreuzkicker nach langem und beschwerlichem Weg zufrieden niederlegen. Glücklicherweise fanden sie unterwegs stärkende Früchte des Feldes.
PART V: Blauer Engel mit Stern
Des Nachts schickte der böse Gott Saboteo seine Heerscharen von fliegenden Blutsaugern, um die Kreuzkicker mit ohrenbetäubendem Summen und spitzen Lanzen zu geißeln. Die Abenteurer wehrten sich bei Leibeskräften und viele Feinde mußten ihr Leben lassen. Doch die Übermacht der Angreifer war zu groß: Die Kicker verloren viel Blut.
Im früheren Tipp-Kick-Stützpunkt Laupheim wurden sie mit seltsamen Blicken angesehen, als sie sich am städtischen Brunnen erquickten und die Mission fortsetzten. Doch o weh, Ulerich wurde mit einem Flucht belegt und konnte sein linkes Bein nur noch begrenzt zur Fortbewegung einsetzen. Dies erschwerte die Tipp-Kickisierung. Hinzu kam die sengende Sonne im nun öden Land. Am stillen Wasser rasteten sie und verzehrten ihre Pilze. Bernhard der Geschuppte hatte sie beschafft, was den Zorn des Achilles auf ihn zog. So wurde seine Ferse steif.
In dieser bitteren Stunde zeigte sich Rettung durch einen Engel in blauem Gewand3). Es war aus Metall und mit einem silbernem Stern geschmückt. Der Engel führte die Kreuzkicker ins Blaue Tal und zeigte ihnen den Blauen Topf4). Er wies ihnen den Weg zur Hütte im eisigen Tal. Damit es sie dort nicht fröre, gab er den Dreien etwas mit: 2 Karaffen randvoll mit würzigem Trauben-Flip5). Bei Dunkelheit und Wetterleuchten erreichten sie die Bleibe für die Nacht – kurz bevor der große Regen kam.
PART VI: Die Lähmung setzt sich fort
Regen am Morgen des Tages der Mitte der Woche verschaffte den edlen Kickern eine verlängerte Schlafenszeit. Für Bernhard und Ulerich wurde der folgende Marsch zur Qual, denn die Gebeine marterten sie mit uferloser Härte. So kamen sie nicht weit, ehe sich von neuem Wasser über sie ergoß. Nachdem sie des Nachmittags zum Müßiggang gezwungen wurden, brachte sie am Abend ein sehr Ungläubiger zu einem verlassenen Haus, das einst von Federvieh bewohnt war. Albrecht von der Kellerstiege richtete es sogleich häuslich ein.
PART VII: Großen Schritts voran
Am Tag des Donners kam die Moral zurück, denn ein altes Kräuterweiblein würdigte die Missionsarbeit mit 4 Talern und wünschte den Reisenden viel Glück. Zwar war der Abstieg von den großen Bergen6) mühsam, doch die drei Kreuzkicker nahmen ihn mit Eifer. Zügig eilten sie des Wegs, und auch die Versehrten nahmen alle Kräfte beisammen. Nebsther wurden einige Ungläubige bekehrt, und auch die Monsterreiter, deren Hilfe sie aus Zeitnot per Daumen erbaten, waren neugierig. In den Anhöhen vor Stuttgart wurde ein letztes Mal Rast gemacht. Die Fürstin von Reichenbach7) lauschte den Erzählungen der Prediger, einer ihrer Boten wurde sogar tipp-kickisiert.
PART VIII: Die Frohe Botschaft
Am nächsten Tag waren die drei Kreuzkicker in der fürstlichen Residenz zum Morgenmahl geladen. Die Missionierung des Hofhundes kostete sie einige Mühe. Gesättigt und mit Kleidern beschenkt erklommen sie das Feuerroß gen Stuttgart. Hier fiel die Überzeugung der Ungläubigen schwer, denn die grünen Männchen der Stadt verwiesen sie ins Abseits8). Nach einigen Teilerfolgen ritten sie voran ins gelobte Land. Hier in Hirschlanden verkündeten sie die frohe Botschaft.
Uli Weishaupt Albrecht Keller Bernhard Schupp
Anmerkungen:
1) Ein Traktor, der vom Mähen kam 2) Eine ältere Frau, die uns den Weg zeigte 3) Ein Mann im blauen Mercedes nahm uns mit 4) „Blautopf“: Sehenswürdigkeit in Blaubeuren 5) Wein 6) Schwäbische Alb 7) eine Passantin, die mit ihrem Hund spazierenging 8) der Park am Stuttgarter Schloß
.
Nachtrag der damaligen RUNDSCHAU-Redakteure Holger Dittrich und Stefan Kirn:
Aber eine Deutsche Einzelmeisterschaft hat auch andere Sieger. Jeder, der seine sich selbst gesteckten Ziele erreichte, ist für sich ganz allein ein Sieger. Leider ist es meistens so, daß solche Sieger selbst dem aufmerksamen Auge eines Rundschau-Redakteurs verborgen bleiben, Drei Sieger standen bereits fest, bevor die ersten Bälle dieser Titelkämpfe rollten: Albrecht Keller, Bernhard Schupp und Uli Weishaupt hatten vor Monaten angekündigt, daß sie zur DEM nach Hirschlanden gehen würden . Von den meisten mit einem müden Lächeln versehen, setzten sie ihr Vorhaben in die Tat um und wanderten in fünf Tagen von Aitrach nach Hirschlanden … Für mich sind sie die eigentlichen Sieger dieser DEM!
Nachtrag der heutigen Redaktion:
Tolle Geschichte! Übrigens: Bei dieser 30. Deutschen Einzelmeisterschaft, zu der sich 172 Teilnehmer einfanden, belegten Uli Weishaupt (Aitrach) Platz 26, Bernhard Schupp (Hepbach) Platz 89 und Albrecht Keller (Hepbach) Platz 137.
https://dtkv.info/wp-content/uploads/2024/05/FOTO-1995-Unterwegs-2-scaled.jpg9902560André Bialkhttps://dtkv.info/wp-content/uploads/2017/05/DTKV-300x132.pngAndré Bialk2024-05-12 21:16:272024-05-21 02:19:42Damals! In einer alten Rundschau von 1995 geblättert …
Das Erstlingswerk „Ylipulli“ von C.G. Irod ist eine Erzählung, die sich seiner Passion, dem Spielen des Tischfußballspieles „Tipp-Kick“ widmet. Das Buch ist Anfang April 2024 beim story.one-Verlag erschienen und umfasst 74 Seiten.
ISBN: 978-3-7115-2728-8, erwerbbar für 18 € bei der Thalia-Buchhandlung (für eine Bestellung klicke hier).
Leseprobe:
„Folgenden Namen solltet ihr wenigstens einmal gehört haben: Hirschlanden. Ihr wart bestimmt noch nie dort. Nun – dann aber nichts wie hin. Es gibt Orte, da weiß kein Mensch, was er dort soll. In Hirschlanden weiß es jeder. Da liegen früh am Morgen unzählige Tipp-Kick-Bälle auf den Fußwegen und Straßen. Kinder lutschen und knuspern an ihnen, Eichhörnchen sammeln sie auf und tragen sie in die Turnhalle.“
Interview mit dem Buchautor C.G. Irod:
DTKV: Hi Christian, sei gegrüßt. Das ist ja der Hammer! Tipp-Kick feiert in diesem Jahr seinen 100. Geburtstag. Und dann kommt nach 100 Jahren die erste Tipp-Kick-Erzählung eines „Profis„, die in Buchform verfasst wurde, auf den Markt. Bislang gab es kaum literarische Werke über uns (Anm. der Red.: z.B. Rainer Moritz mit „Fräulein Schneider und das Weihnachtsturnier“, edition chrismon). Hand aufs Herz: war das so geplant?
C.G. Irod: Ich wollte eigentlich einen Roman schreiben, leider habe ich es nicht geschafft, rechtzeitig fertig zu werden. Tipp-Kick ist einfach zu groß, zu gewaltig. Es übersteigt und überfordert uns alle. Ein Verlag hat mir angeboten, diese kleine Version zu veröffentlichen.
DTKV: Aber zuerst noch einmal zu dir. Du bist ja seit Jahrzehnten begeisterter Tipp-Kicker. Weißt du noch, wann du dich beim Verband angemeldet hast? Wie viele Jahre hattest du schon zuvor im Wohnzimmer gespielt? Was genau löste den Tipp-Kick-Virus aus?
C.G. Irod: Ich muss wohl schon im Mutterleib ordentlich getreten haben. Meine erste Deutsche Meisterschaft habe ich 1978 gespielt. Am Tipp-Kick mochte ich immer, dass man im Gegensatz zu dem Kurbel-Tisch-Kicker einen Ball in den Winkel schießen konnte und nicht nur in so ein Plumpsklo versenken …
DTKV: Schaut man sich deine sportliche Vita an, hast du auch einige Erfolge einheimsen können. Zwei Turniersiege, darunter den Bembel Cup 2018 mit prominenter Besetzung, immerhin drei Teilnahmen an Endrunden der Sektionsmeisterschaften 1980, 1984 und 2022, die dich in den „Club der alten Haudegen“ (hier) auf Platz 4 hievten, was motiviert dich weiterhin am zwölfeckigen Ball zu bleiben? Bist du ein „Bekloppter“ (Anm. der Red.: Zitat im Buch), oder wie es jüngst ein Bundesliga-Spieler aus Kaiserslautern formulierte, einer von „den Tipp-Kickern, die alle eine oder mehrere Schrauben locker haben?“
C.G. Irod: Mein größter Erfolg im Tipp-Kick war die Gründung von „SpielTrieb Ylipulli Gießen“ zusammen mit meinen Freunden. Meine Motivation, warum ich noch spiele? Nun, ich habe mir vorgenommen, ich spiele so lange, bis ich es kann. Also werde ich wohl noch ein Weilchen spielen und alle ein wenig ärgern.
DTKV: Zurück zu deinem Buch. Beim Durchblättern der alten Rundschau-Hefte (Anm. der Red.: Verbandszeitung des DTKV) fällt auf, dass du immer wieder mal einen oftmals satirischen Artikel platzieren konntest. Hat sich hier schon deine Leidenschaft zum Schreiben angedeutet?
C.G. Irod: Meine früheren Artikel waren der Tatsache geschuldet, dass ich so schlecht gespielt habe. Ich wollte, wenn ich schon nicht der beste Tipp-Kicker der Welt sein kann, wenigstens derjenige sein, der am Besten auf der Welt darüber schreiben kann…
DTKV: Wann kam dir die erstmalige Idee ein Buch zu verfassen? Hast du dann auch einzelne Notizen gemacht so wie andere Briefmarken sammeln?
C.G. Irod: Die Idee kam vor vielen Jahren. Es gibt tausende von Liebesromanen, tausende Krimis, aber kein gutes Buch über Tipp-Kick, keine Welt-Literatur über Tipp-Kick! Ich habe viele Notizen gemacht, ca. 500 Seiten, und immer wieder umgeschrieben. Schreiben ist ja nichts anderes als immer wieder umschreiben. Und was ist passiert? Es ist eine Liebesgeschichte geworden! Aber eine der anderen Art.
DTKV: Das Buch ist eine hochgradige Hommage an alle Freunde des Tipp-Kick-Sports, den Anfängern genauso wie den erfahrenen Hasen oder den Sieger- wie auch den Verlierertypen, dem Ehrgeizigen oder dem Immeraufeinemlevelverharrenden. Er sieht sich gespiegelt. Was kann der normalsterbliche Nicht-Tipp-Kicker dagegen aus deinem Buch lernen?
C.G. Irod: Er kann lernen, sich anständig um die Dinge in seiner Nähe zu kümmern und wenn er in Afrika ist, auf Landmienen (sic!) aufzupassen. Außerdem sollte der Nicht-Tipp-Kicker einmal in seinem Leben den Namen „Normann Koch“ gehört haben, denn ihm ist das Buch gewidmet. Aber das aller Wichtigste ist natürlich der „Ylipulli“. Ich möchte, dass dieses Wort in den Duden und in die Alltagssprache aufgenommen wird. Der „Ylipulli“ ist im Grunde eine „Figur der Moderne“, eine Gestalt, die die abendländische Philosophie ergänzt.
DTKV: Schon auf Seite 1 wird das Wort „Bein“ achtmal aufgeführt. Bist du ein Bein-Fetischist?
C.G. Irod: Das Bein ist nun mal wichtig bei einer Tipp-Kick-Figur. Und ja: ich liebe lange blonde Beine!
DTKV: Es gab und gibt es immer wieder einzelne Tipp-Kick-Spielerinnen, die in der Szene – sehr zur Freude der männlichen Kontrahenten – in Erscheinung traten. Frauen spielen in deinem Buch keine Rolle, wie kommt das?
C.G. Irod: In dem geplanten Roman, der hoffentlich nächstes Jahr erscheint, tauchen hin und wieder Frauen auf, aber nur solche, die auf die Frage: „Darf man in deinem Schlafzimmer rauchen“ antworten: „Nein, nur Tipp-Kick spielen!“
DTKV: So manche Tipp-Kick-Konkurrenten und auch Freunde werden in deinem Buch erwähnt: Jens Jepp, die Wegener-Brüder – von Oliver Wegener stammt übrigens auch das Cover-Foto -, Bernd Weber, Thomas Ruchti. Diese Männchen-Bauer traten erst 20 Jahre nach deinem Verbandseintritt in das Bewusstsein der Tipp-Kicker. Was war in den Jahren zuvor?
C.G. Irod: In den Jahren davor hat man die Tipp-Kick-Figuren in Ruhe gelassen und nur ab und zu an ihnen etwas herum gefeilt. Da wurden keine Beine entfernt. Es war die Gußbleierne-Zeit.
DTKV: Dein Buch hat eine gewisse geistige Nähe zu dem 2004 produzierten Kinofilm „Aus der Tiefe des Raumes„, Zitat: „die chemische Zusammensetzung des Badewannenwassers“, in dem eine Tipp-Kick-Figur sich zu einem Menschen (Anm. der Red.: Günter Netzer) wandelte. Für den Fall, dass deine Püppchen dasselbe Schicksal ereilen würde, wären deine „Püppchen“ (Anm. der Red.: interner Kosenamen für die Tipp-Kick-Spielfiguren) auch deine besten Freunde?
C.G. Irod: Dem Buch ist ein Gedicht vorangestellt. Ein Mensch hat Angst davor, dass sein Kaninchen zu ihm sprechen könnte. Meine Figuren würden nur wenig Gutes über mich sagen. Meine Tipp-Kick-Figuren hassen mich, da ich dauernd an ihnen herumschraube. Außerdem treffen sie einfach nicht das Tor. Dafür hasse ich sie! Bis zum nächsten Eckballtor. Dann liebe ich sie wieder!
DTKV: Sehr ausdrucksstark ist deine Beschreibung der Bemalung der beim Hersteller Mieg frisch hergestellten Tipp-Kick-Figuren: „Mein Gesicht? Noch nicht vorhanden in Schwenningen. Es wurde später aufgemalt in Afrika. Von einer Frau … Mein Gesicht … Es ist ein wunderschön trauriges Gesicht, mit einem sanft-präzisen Blick, so eine Baptiste-Deburau-Fresse …“. Man liest die wohlklingenden Sätzen und wird dann bei so derben Begriffen wie „Fresse“ plötzlich auf den Boden der Tatsachen geholt. Ist das beabsichtigt?
C.G. Irod: Ja, das ist beabsichtigt. Der „Ylipulli“ ist eine so komplexe Figur, dass die Sprache auf keinen Fall gleichförmig sein darf. Die Sprache muss quasi einen Schluckauf bekommen. Das ist schwer. Ich weiß nicht, ob mir das in diesem Büchlein gelungen ist …
Abb. 2: Baptiste Deburau (1796-1848). Eine gewisse Ähnlichkeit mit den Tipp-Kick-Gesichtern lässt sich nicht leugnen!
DTKV: Es gab da vor Jahren so einen brasilianischen Exzentriker, der führte Selbstgespräche mit seinen Kickern, die auch Namen berühmter Fußballer trugen. Haben deine „Püppchen“ auch Namen?
C.G. Irod: Nein, keine Namen. Als Kind habe ich manchmal einer Figur einen Namen auf den Rücken gemalt, Bonhof oder Simonsen.
DTKV: Dein Buch könnte ins Guinness-Buch der Rekorde kommen. Weißt du warum?
C.G. Irod: Nein, erkläre es mir.
DTKV: Auf geschlagenen 25 Buchseiten beschreibst du, nein, sezierst du einen (!!!) Tipp-Kick-Schuss, der am 15. September 2001 von Normann Koch, dem Serienmeister aus Lübeck, in Richtung Jens König, dem Serienmeister aus Hannover, abgegeben wurde und den Alexander Beck, Serienmeister aus Frankfurt, als Schiedsrichter des Spieles bewerten musste. Puuuh, gut, dass du nicht alle Schüsse dieses Spiels beschrieben hast. Gleichzeitig war dieser Schuss die Gründungssekunde aller „Ylipullis“ dieser Welt. Konntest du in der nachfolgenden Nacht gut schlafen?
C.G. Irod: Wie gesagt, dass Büchlein ist die Kurzversion. In dem Roman werde ich die wenigen Sekunden, die der Ball unterwegs war, auf über hundert Seiten beschreiben. Denn da wird der Torwart von Jens König noch auftauchen, denn dieser arme Kerl war es, der mit dem „Ylipulli“ klar kommen musste. Einen „Ylipulli“ gab es bestimmt vorher schon. Aber es gab halt noch keinen Namen für diese Gestalt. Jetzt sieht man dauernd welche. Überall. Nicht nur auf dem Tipp-Kick-Feld. Neulich erst ist mir einer im Treppenhaus begegnet!
DTKV: Mir hat das Lesen sehr viel Spaß bereitet, ich kann es uneingeschränkt empfehlen. Ein Muß für alle Tipp-Kick-Freunde. Ich danke dir, Christian, für deine Antworten.
C.G. Irod: Ich habe dir zu danken, lieber André, für deine genaue Lektüre.
Das Interview wurde am 17. April 2024 von André Bialk, Präsidiumsmitglied des DTKV, mit C.G. Irod (Christian Schäl) geführt.
https://dtkv.info/wp-content/uploads/2024/04/FOTO-Schreibmaschine-alt.jpg10281499André Bialkhttps://dtkv.info/wp-content/uploads/2017/05/DTKV-300x132.pngAndré Bialk2024-04-17 23:38:512024-04-26 23:59:19Buchempfehlung: „Ylipulli“ von C. G. Irod
Franz Beckenbauers Leben endete am 7. Januar 2024 im Alter von 78 Jahren. Es bietet Stoff für mehrere Nachrufe. Ihm gebühren unzählige Superlative. Kaum ein deutscher Fußballer hatte ein so ereignisreiches Leben. Die Nachrufe der Presse schildern viele einzelne Szenen: der Start in München, seine Erfolge, seine ausgerenkte Schulter im WM-Halbfinale 1970, sein Zusammenspiel mit „Bomber“ Gerd Müller, die grottigen Musik-CDs, seine vielen Eigentore, sein Abstecher zu Cosmos New York, die spezielle Beziehung zu Uli Hoeneß, seine Golf-Leidenschaft, seine Frauengeschichten, der viel zu frühe Tod seines Sohns. Und die Leichtigkeit seiner Bewegungen auf und neben dem Platz. Aber dass der Franz auch ein Tipp-Kicker mit Herzblut war, ist gemeinhin fast völlig unbekannt.
Die Herstellerfirma Mieg schickte 1974 (und auch 1978) Tipp-Kick-Spiele in das Trainingslager der deutschen Nationalmannschaft. Als der deutsche Kapitän Franz Beckenbauer nach der Weltmeisterschaft vom STERN in einem Interview gefragt wurde, was man denn abends gemacht hätte, antwortete er: “Wir spielten jeden Abend Tipp-Kick, Tipp-Kick, Tipp-Kick“ (Sekundärquelle: Rundschau, Ausgabe 2/1981, S. 23).
Als Franz Beckenbauer 1977 zu New York Cosmos in die „North American Soccer League“ wechselte, war seine Tipp-Kick-Leidenschaft der amerikanischen Fußball-Zeitschrift „Soccer America“ eine ganzseitige Abhandlung wert. Leider gibt es kein Belegexemplar dieses Artikels. Jedoch wurde durch Franz Beckenbauers Wechsel nach New York das Amerika-Geschäft für den Hersteller Mieg deutlich intensiviert.
Abb.: Tipp-Kick-Werbung in der amerikanischen Fußball-Zeitschrift „Soccer World“ von 1979
In der Deutschen Botschaft in London trafen sich 2005 die englische und deutsche Nationalmannschaft von 1966. Anlass des Treffens war die WM 2006 in Deutschland. Auch die Herstellerfirma Mieg wurde eingeladen. Eine Tipp-Kick-Platte wurde aufgebaut. Die Fotografen zückten die Kameras, als sich an der Tipp-Kick-Platte Franz Beckenbauer und Sir Bobby Charlton gegenüber stehen. Zu Beginn des Spiels sagte Franz: „Do host koa Chance, des hob i scho ols Kind gschbuild“, so schildert es Jochen Mieg später.
Abb.: Franz Beckenbauer, rechts, und Sir Bobby Charlton, links, vor dem Tipp-Kicken in der Deutschen Botschaft in London, 2005 (Foto Firmenarchiv Mieg)
Abb.: Franz Beckenbauer, links, und Sir Bobby Charlton, rechts, beim Tipp-Kicken in der Deutschen Botschaft (Foto Firmenarchiv Mieg)
Das Tipp-Kick-Spiel hat Franz Beckenbauer ein Leben lang begleitet. Mit seiner charmanten und offenen Art bekannte er sich gerne dazu und machte so unseren Sport bekannter und auch salonfähiger. Danke dafür, Franz Beckenbauer, aber auch für die vielen unvergesslichen Fußballmomente!
Fotonachweis Beitragsbild: Sven Mandel / CC-BY-SA-4.0
Quelle der Karikatur: Tipp-Kick-Rundschau, 1997, Heft 1, S. 36
https://dtkv.info/wp-content/uploads/2024/01/Franz_Beckenbauer_-_2019102190253_2019-04-12_Radio_Regenbogen_Award_2019_-_Sven_-_1D_X_MK_II_-_0369_-_AK8I95382.jpg750763André Bialkhttps://dtkv.info/wp-content/uploads/2017/05/DTKV-300x132.pngAndré Bialk2024-01-10 01:40:272025-03-25 17:12:44Franz Beckenbauer – Eine Legende ist tot. Warum auch die Tipp-Kicker trauern …
Damals, wir schreiben das Jahr 1985, das waren alles ganz andere Zeiten. Kein Handy, kein E-Mail und kein Googeln. Man setzte sich an den Schreibtisch, nahm einen Stift und schrieb sich einen Brief. So kamen dann Tag für Tag die Briefe an: beim Hersteller Mieg, beim Rundschau-Redakteur oder irgendeinem Funktionsträger des Verbandes. Und die setzten sich hin und antworteten oder veröffentlichten oder machten nichts. Und ab und zu wurde noch telefoniert.
Szenenwechsel. Wir sind in Hamburg, in einem Hinterzimmer. Der Redakteur, nennen wir ihn bei seinem Kürzel, also -hm-, ist fertig, fast fertig mit der nächsten Rundschau-Ausgabe. Er schiebt die Artikel hin und her, aber auf der einen Seite ist noch etwas Platz, zu viel, also muss noch eine kurze Mitteilung verfasst werden. Er schaut auf den Stapel Briefe, blättert ein wenig und schreibt dann:
Letzte Meldung !!!
Die RUNDSCHAU-Redaktion erhielt soeben einen Brief aus Kolumbien, wo das Tipp-Kick-Spiel offenbar einen Boom erlebt. Darin bittet der „Asociación de Fútbol de la Mesa Columbia“ (Kolumbianischer Tischfußballverband) um Vermittlung von Freundschaftsspielgegnern aus Ober- und Verbandsligen unseres Verbandes. Der dortige Verband besteht seit einem Jahr und wird von einer privaten Ölfirma gesponsert. Auf diese Art können es sich die südamerikanischen Tipp-Kick-Freunde leisten, uns zu besuchen. Bis zur nächsten Ausgabe werden wir versuchen mehr zu erfahren. Anfragen richtet ihr bitte an die Redaktion. -hm-
Die Rundschau wird einige Tage später verschickt und, oh Wunder, das Telefon steht bald nicht mehr still. Der Verband hat über 100 Vereine, die sich in den unteren Ligen tummeln, und alle träumen sie von Gegeneinladungen an die Copacabana, ach nee, die ist ja in Brasilien, aber bestimmt hat Kolumbien auch solche Strände …
Dann ruft einer der Herren Miegs aus dem beschaulichen Schwenningen an und will mehr wissen. Neue Märkte und so, aber -hm- kann noch nichts mitteilen. Auch als Rudi Fink, der ehemalige mächtige Präsident aus Hildesheim sich meldet, keine Chance. Nun wird die deutsche Presse hellhörig. Das renommierte „kicker sportmagazin“, der heilige Gral der damaligen Fußball-Zeitschriften, veröffentlicht sofort einen ersten Artikel. Die sind halt schnell dort in der Redaktion. Und auch Kolumbien meldet sich. Mittels Brief fragt der südamerikanische Spielwarenvertreter Bernhard Stünkel nach Details. Er ist verwirrt, er lebt vor Ort und weiß von nichts?
In der folgenden Rundschau meldete sich -hm-, wie angekündigt, mit weiteren Details, hier der Originalauszug aus der damaligen Rundschau:
So war das damals im Jahr 1985. Der Begriff Fake News war noch nicht geboren, aber geträumt hat man damals wie heute. Von der Copacabana und mehr.
Nachtrag:
Von -hm- hat man nie wieder etwas gehört. Aber über diese Zeilen lache ich jeden Tag, danke dir, Heiko!
Weiterer Nachtrag (21. November 2023):
Wer hätte das gedacht? Der damalige Redakteur, Heiko Mausolf, hat diesen Online-Artikel aufgestöbert und sich gemeldet. Schön, dass sich der eine oder andere nach vielen Jahrzehnten immer noch gerne an seine Tipp-Kick-Vergangenheit erinnert!
Moin André, Moin an alle Tipp-Kicker!
Gelegentlich stöbere ich aus alter Verbundenheit mal auf der DTKV-Webseite. Dabei bin ich heute über Deinen Artikel gestolpert, André, der über meinen kleinen Aprilscherz aus dem Jahre 1985 in der Rundschau berichtet. Die Rundschau habe ich damals gemeinsam mit Manfred Buhmann herausgegeben.
Leider erinnere ich mich heute gar nicht mehr an diesen Scherz – immerhin ist das ja bald schon 40 Jahre her… Aber es freut mich doch sehr, dass ich damit – wer hätte das gedacht – bis heute für Heiterkeit sorgen konnte.
Ich schicke Euch herzliche Grüße aus Hamburg! Heiko Mausolf
https://dtkv.info/wp-content/uploads/2023/11/Briefe-an-Mitgliederbetreuer.jpg20941599André Bialkhttps://dtkv.info/wp-content/uploads/2017/05/DTKV-300x132.pngAndré Bialk2023-11-17 20:18:372024-05-21 02:11:54Damals! In einer alten Rundschau von 1985 geblättert …
Die Auswirkungen der Corona-Pandemie hatte Auswirkungen auf viele Sportarten. Viele Jugendliche verbrachten ihre Zeit zu Hause und suchten nach sinnvollen Beschäftigungen. Ein Glücksfall für Spielehersteller wie die TIPP-KICK GmbH, die Absätze gingen deutlich in die Höhe. Deutschland als Heimat des Tipp-Kick-Sportes erfreut sich langsam wieder zunehmender Beliebtheit, doch wie sieht es in den Fankurven anderer Länder aus?
Ein Blick in die Tipp-Historie zeigt, dass in unseren Nachbarländern Österreich und der Schweiz über viele Jahrzehnte der Tipp-Kick-Sport intensiv gepflegt wurde. Der langjährige Präsident des Schweizer Tipp-Kick-Verbandes (STKV), Gottfried Balzli, organisierte mit viel Herzblut das Verbandsgeschehen. Turnierbesuche in Winterthur, Bern oder Zürich waren in den 80er Jahren Highlights in der Karriere eines jeden Tipp-Kick-Spielers. Die Verbandshomepage der Schweizer Tipp-Kick-Freunde (hier) informiert umfangreich über das dortige Geschehen. Die ältesten Schweizer Vereine waren 1. TKC Zollikon 64 (nahe Zürich) und TFC Wimmis/Reutigen, die schon in den 60er Jahren auf den grünen Beilagezetteln der Tipp-Kick-Spiele als Ansprechpartner für Interessenten ihrer Region vermerkt waren.
Foto: Gottfried Balzli leitete viele Jahre als Präsident die Geschicke des Schweizer Tipp-Kick-Verbandes (STKV)
In Österreich war Tipp-Kick ebenso populär. Es gab Vereine in Salzburg, Ybbs und natürlich Wien. Hier kam es sogar zu einem Ländervergleich, den die deutschen Tipp-Kicker haushoch gewannen. Selbst aus Ungarn wurde ein Verein gemeldet (SK Mezökovácsháza).
Foto: Drei Mitglieder des ungarischen Tipp-Kick Vereins TKC Mezőkovácsháza. Diese Ortschaft liegt sehr nahe der Grenze zu Rumänien. Der älteste der drei abgebildeten Tipp-Kicker heißt Zsigmond Ormai (1929-1999, Lebenslauf siehe hier). Er war katholischer Priester und der Klubchef des Vereins. Das Foto stammt aus dem Jahr 1982. Erstmalig wurde 1979 in der Rundschau von diesem Verein berichtet.
Ende der 90er Jahre hatte der Deutsche Tipp-Kick-Verband (DTKV) sogar einen eigenen Auslandsbeauftragten, Uli Weishaupt (PWR 78 Wasseralfingen), dessen Aufgabe hauptsächlich darin bestand, Anfragen aus dem Ausland zu beantworten. Ihm wurde ein eigener Etat zugebilligt.
Foto: Uli Weishaupt, Auslandsbeauftragter des Deutschen Tipp-Kick-Verbandes (DTKV), bekleidete diesen Posten über mehrere Jahre.
Aber was tut sich heute im Tipp-Kick-Ausland? Aus der Schweiz, Tschechien, Frankreich und Spanien berichten Manuel Häfeli, Thomas Krätzig, Peter Funke und Uwe Szyszka. Ein Blick in die sozialen Medien zeigt Tipp-Kick-Turniere in Japan.
Schweiz
Manuel Häfeli berichtet:
Die Corona-Pandemie hat die Tipp-Kick-Szene in der Schweiz nahezu zum Erliegen gebracht. Es gab kein Ligaspielbetrieb und im Jahr 2022 wurde einzig die Einzelmeisterschaft durchgeführt. Dennoch gibt es aktuell 10 aktive Schweizer Tipp-Kicker, welche am Ligaspielbetrieb in Deutschland teilnehmen. Mit den Leppard United besteht sogar ein Tipp-Kick Verein komplett aus Schweizer Tipp-Kickern.
Es herrscht große Aufbruchsstimmung und Enthusiasmus.
Mit der Einzelmeisterschaft am 22. Oktober 2023 findet das nächste grosse Event statt. Aktuell sind 25 motivierte Tipp-Kicker angemeldet und kämpfen um den Titel des Schweizer Einzelmeisters. Erfreulicherweise konnten wir das weltbekannte FIFA-Museum in Zürich als Austragungsort gewinnen. Wir hoffen auf viele Zuschauer und nutzen diese Plattform, um neue Tipp-Kicker für unseren tollen Sport zu mobilisieren.
Ende November findet die Hauptversammlung des STKV statt. Dort werden die Weichen für eine neue Ära im Schweizer Tipp-Kick gestellt. Ziel ist es, dass wir im 2024 wieder einen regulären Ligaspieltbetrieb durchführen können sowie weitere Einzelturniere zu organisieren.
Die Tipp-Kick-Szene Schweiz lebt!
Anmerkungen durch die Redaktion: In der Saison 2023 spielten mehrere Schweizer in der Tipp-Kick-Bundesliga: Knut Asmis (Spandauer Filzteufel), Philipp Derungs, Manuel Häfeli (beide Flinke Finger Bruck) und Christian Meister (TG 1860 KarlMay Rommersheim). Manuel Häfeli holte als bester Schweizer beachtliche 31:33 Punkte.
Foto: Manuel Häfeli (rechts) in einem Bundesligaspiel gegen Berthold Nieder (TFG Drispenstedt 77)
Tschechien
Auch in Tschechien wird seit Jahren Tipp-Kick gespielt. Genauer gesagt in Bohumin, einer schlesischen Grenzstadt zu Polen. Es finden nach Jahren der Etablierung schlesische Meisterschaften und Einzelturniere statt. Die zahlreichen Aktivitäten des Vereines können bei Facebook (Link: hier) nachgelesen werden. Regelmäßige Besuche durch deutsche Tipp-Kicker wie Thomas Krätzig, Alexander Breuß, Peter Funke und Franz Putz zeigen, dass ein Besuch dieses Vereines lohnenswert ist.
Foto: Tipp-Kick-Begeisterung in Bohumin (Tschechien)
Am 9. September fand bereits die 7. Ausspielung des Schlesischen Pokals statt. Thomas Krätzig nahm an diesem Turnier teil und so konnte er berichten:
7. Schlesischer Pokal (Slezky Pohar) in Bohumin (CZ)
Zum 7. Mal fand nun schon der Schlesische Pokal, das Traditionsturnier Tschechiens, in Bohumin statt. Thomas Krätzig und Franz Putz vom OTC 90 Amberg nahmen die Reise nach Mähren auf sich. Franz Putz immerhin schon zum zweiten Mal. 2018 gewann er dort sein erstes Turnier seiner Laufbahn.
Am Sonntag den 09. September 2023 fanden sich nun 14 Teilnehmer im Restaurant Struzku ein, um den Slezky Pohar („Schlesischen Pokal“) auszutragen. Traditionell wurden zunächst die Hymnen der anwesenden teilnehmenden Nationen abgespielt. Es nahmen neben tschechischen und deutschen Teilnehmern erstmalig auch eine ukrainische Familie teil. Mit an Bord auch der regional bekannte Schauspieler David Vacke aus Uherske Hradiste.
Die 14 Teilnehmer wurden in zwei 7er-Gruppen aufgeteilt, wobei die ersten Vier ins Viertelfinale einzogen und die Ausgeschiedenen die Plätze 9-14 ausspielen sollten.
In Gruppe A gewann diese mit 15 Punkten Martin Polak, langjähriges Mitglied aus Bohumin, überraschend vor Franz Putz. Franz gewann zwar die direkte Begegnung gegen Martin, gab aber überraschend jeweils einen Punkt gegen David Vackes Partnerin Zdenka Skupinova (Profifußballerin) und gegen den mehrfachen tschechischen Meister Lubomir Latal ab. Die Vorrunde wurde übrigens mit zweimal 3 Minuten ausgetragen. Auch wird in Bohumin nach der 3-Punkte-Regelung gespielt, etwas ungewohnt für DTKV-Verhältnisse, aber vertretbar.
In Gruppe B gewann Thomas Krätzig alle seine Matches und belegte Platz 1. Die Ukrainischen Teilnehmer gaben sich alle Mühe und waren sehr interessiert bei der Sache. Trotzdem gelang es hier leider keinem ins Hauptfeld einzuziehen. David Vacke konnte sich mit seinem einfachen Rundfuß Spieler noch den vierten Play-off-Platz ergattern.
Im Viertelfinale nun gelang dann überraschend David Vacke ein knappper 3:2 Sieg nach 0:2 Halbzeitrückstand gegen Martin Polak. Er durfte sich nun über den Halbfinaleinzug freuen. Franz Putz tat sich etwas schwerer gegen die überraschend starke Vietelfinalistin Alice Bannertova aus Bohumin. Am Ende reichte aber das 3:0.
Somit stand dem bayerischen Halbfinale nichts mehr im Wege. Hier setzte sich nach spannenden Verlauf (Halbzeit 2:2), Thomas Krätzig mit 5:2 durch. Wie schon öfter in Bohumin bestritten das Finale Lubomir Latal und Thomas Krätzig. Der Oberpfälzer gewann mit 7:2.
Viertelfinale:
Martin Polak (Bohumin) – David Vacke (Hradiste) 2:3 Franz Putz (OTC 90) – Alice Bannertova (Bohumin) 3:0 Jiri Krutny (Bohumin) – Lubomir Latal (Bohumin) 1:3 Thomas Krätzig (OTC 90) – Zdenka Skupinova (Hradiste) 10:2
Halbfinale: David Vacke – Lubomir Latal 1:4 / Thomas Krätzig – Franz Putz 5:2
Finale: Thomas Krätzig – Lubomir Latal 7:2
Die Siegerehrung fand im Saal des Restaurants Struzku statt. Sämtliche Kategorien wurden geehrt. Nach dem Turnier gab es noch ein ebenfalls traditionelles Beisammensein beim Struzku bis weit in die Nacht hinein. Ein erlebnisreiches Turnier fand somit einen würdigen Abschluss. Fazit: Eine Reise nach Bohumin ist das Turnier allemal wert.
Als in Bohumin noch nicht getippkickt wurde, gab es einen Tipp-Kick-Begeisterten in Nymburg. Rene Chytry, der in Kolin nahe Prag einen Antiquitätenladen betreibt, reiste 2017 zu einem deutschen Turnier, um sich über das deutsche Tipp-Kick zu informieren. Doch sein Tipp-Kick-Interesse scheint erloschen zu sein.
Foto: Rene Chytry (rechts) im März 2017 bei den norddeutschen Amateurmeisterschaften in Delligsen
Frankreich
Erste französische Kontakte zum DTKV knüpfte Pierre Troestler aus Mulhouse (Mülhausen i. Elsaß), der dort einen Spielkreis aufgebaut hatte und mehrfach um Regelauskünfte und auch mal um Tipp-Kick-Bälle bat. Jens Foit, Mitgliederbetreuer des DTKV, versorgte ihn dann mit den Spielbällen, die anscheinend im Ausland schwierig zu beziehen sind. In der Zwischenzeit ist er beim Subbuteo gelandet und hat einen Club in Guebwiller gegründet.
Foto: Pierre Troestler (Foto stammt von seinem Facebook-Profil)
Doch erst mit dem Auftritt von Léandre Lançon auf der SDEM 2023 verdankt Frankreich sein Erscheinen auf der Tipp-Kick-Weltkarte. Der Franzose reiste aus seiner Heimatstadt Laon zur Süddeutschen Einzelmeisterschaft (28. Mai 2023), gewann viele Eindrücke (s.a. hier), Sympathien und einen Pokal. Zurückgekommen treibt er seitdem mit viel Herzblut das französische Tipp-Kick voran.
Foto: Léandre Lançon und das neue geplante Tipp-Kick-Trikot (rechts)
Unser Tipp-Kick-Botschafter Peter Funke, regelmäßiger Gast in der Schweiz und Tschechien, reiste prompt mit dem Velo nach Laon und übersandte folgenden Bericht:
Am 1. September 2023 war es soweit – das offizielle Gründungsturnier des TKC Axonais in Frankreich. Der Name kommt vom Departement Aisne, nordöstlich von Paris gelegen. Die Bewohner dort werden Axonais genannt. Beheimatet ist der Verein in Laon, einer Stadt mit 24 000 Einwohnern. Gründer des Clubs ist Léandre Lacon, ein 33 jähriger Franzose, den es aus dem vom Automobilsport bekannten Le Mans in den Norden Frankreichs zog, wo er mit Frau und zwei Kindern lebt.
Die auf einem Tafelberg thronende Kathedrale über der Stadt Laon reicht locker aus alle Einwohner darin unterzubringen. So unglaublich groß. Historikern ist die Stadt vor allem deshalb ein Begriff, weil sie vor Paris die Hauptstadt von Frankreich war. Und so war sogar der Spielort war dem Anlaß entsprechend – ein tempelartiger Raum, aus dem vielleicht einmal der eine oder andere Tipp-Kick Gott hervorgeht …
Vier erwartungsvolle Einheimische und als Gast Peter Funke traten zum Eröffnungsturnier an. Mit Hingabe und Leidenschaft wurden die ersten Spiele absolviert. Zwischendurch entwickelten sich immer wieder tolle Gespräche, die auf englisch geführt wurden. Wobei es gerade bei den Fachbegriffen etwas schwierig wurde. Tipp-Kick war aber so verbindend, dass alle Sprachprobleme völlig nebensächlich wurden. Natürlich gab es auch einiges zu staunen, ist doch das Tipp-Kick der unbezahlten Profis auch etwas für die Augen. Am Schluß stand ein knapper Sieg des Gastes, der aber Léandre Lancon das bessere Torverhältnis überlassen musste.
Dank der Gastfreundschaft inklusive Übernachtung wurde bei Léandre daheim auch noch am Abend und am Samstag fleißig gespielt, so dass der Filz schon zu rauchen begann. Es zeigte sich, dass Léandre ein absolut begeisterter Tipp-Kicker ist. Mit viel Engagement baut er dort einen Club auf. Dazu kann man nur von Herzen viel Erfolg wünschen. Alles Gute!
Die fußballverrückten Spanier sind eigentlich prädestiniert für das Tipp-Kick-Spielen. Warum und wieso dort kein Tipp-Kick landesweit gespielt wird, ist nur schwer zu erahnen, aber der folgende Bericht von Uwe Szyszka erklärt, warum das Spiel auch in fußballinteressierten Ländern nur schwer zu etablieren ist:
Tipp-Kick à la Espana
Vorab kurz zu mir. Die wenigsten werden mich noch kennen (zum Glück!). Meine eigene Tipp-Kick „Karriere“ bei der TFG 38 Hildesheim und beim TFB Drispenstedt 77 hat bereits in den Achtzigerjahren des letzten Jahrhunderts geendet und ich war letztlich eine kleine Randnotiz, die ein paar Jahre mitgekickt hat. Durch die langjährige gute Freundschaft mit Dirk Kandziora war ich aber immer ein wenig informiert und konnte so das Schrumpfen des organisierten Spielbetriebes verfolgen.
Aber jetzt zum eigentlichen Punkt. Alle fragen sich, wie man Nachwuchs für das Tipp Kick gewinnen kann. Darauf habe ich keine Antwort, aber ich habe in Spanien erlebt, an welchen Gründen es liegen könnte.
Privat und berufsbedingt habe ich gute spanische Freunde. In der Corona-Pandemie waren alle daheim und ein Freund erzählte mir, dass sein 8-jähriger Sohn unerträglich sei, weil mittlerweile selbst TV und Internet nicht mehr interessant sind und er sich langweilt. Bei meinem Besuch 6 Monate später hatte ich ein Tipp-Kick-Spiel (Junior Cup für 59 €) im Gepäck. Als ich es dem Jungen überreichte, strahlten die Augen – Begeisterung. Sofort wurde es aufgebaut und es sollte losgehen. Die anfängliche Euphorie verwandelte sich schnell in grenzenlose Enttäuschung, als er versuchte, mit den mitgelieferten Spielern (Rundfüsse) zu schießen. Sein einziger empörter Kommentar „No funciona!“. Dann sah ich selbst das Desaster. Der Junge hatte recht. Rundfüsse sind aus Sicht eines Tipp-Kickers furchtbar. Wenn das die Spieler gewesen wären, die ich bei meinem ersten Kontakt mit Tipp Kick in den Händen gehabt hätte, dann wäre mein Interesse am Tipp Kick im Keim erstickt worden. Der Fairness halber muss ich allerdings auch sagen, dass das restliche Spielmaterial (Torhüter, Spielfeld …) gut verwendbar ist. Aber wenn die Spieler nicht funktionieren …?!?!
Die Story geht weiter. Ich bat meinen Freund, das Spiel nicht vor meinem nächsten Besuch zu entsorgen. Daraufhin bin ich in den Keller daheim gegangen und habe die alte Kiste mit meinen Tipp-Kick-Spielern rausgesucht. Aus dem 40 Jahre alten Material bastelte ich notdürftig 4 Spieler zusammen, die ich bei meiner nächsten Reise im Gepäck hatte. Als ich diese dem Jungen überreichte, war die Enttäuschung noch riesengroß und nur dank der mitgelieferten Großpackung Haribo-Goldbären ließ er sich dazu überreden, das Tipp Kick noch einmal aufzubauen und es mit den neuen Spielern zu probieren. Nach ein paar Minuten hörte ich plötzlich begeisterte Rufe des Jungen. Dann wurde mein Freund für die nächsten Stunden genötigt, mit seinem Sohn zu spielen und fortan war Tipp Kick die zentrale Beschäftigung zwischen Vater und Sohn. Das hat aber zwei neue Probleme geschaffen:
1) Der Junge hat ein Problem selbst zu spielen, wenn sein Vater und seine Onkels (auch begeistert) da sind. 2) Bei schlechtem Wetter (Hitze) kommen die Freunde des Jungen gern zu ihm, um Tipp Kick spielen, was der Frau meines Freundes mittlerweile mächtig auf die Nerven geht.
Dieses Erlebnis beschreibt vielleicht ein Puzzleteil des Mitgliederschwunds. Die erste Erfahrung mit dem Spiel (im Kindheitsalter) ist ganz wichtig. Das organisierte Tipp Kick ist darauf angewiesen, dass dort Begeisterung oder zumindest Interesse geweckt werden. Ein Schlüssel, auf den der DTKV und seine Mitglieder keinen Einfluss habt, liegt in den Händen vom Hersteller Mieg. Das standardmäßig verkaufte Spiel muss funktionieren und familienfreundlich sein. Rollfelder und Rundfüsse gehören allenfalls noch in einen Nostalgieset. Ein voll funktionsfähiges Material, der von Mieg nicht ganz billig verkauften Spiele, ist eine Voraussetzung dafür, heutige Kinder/Jugendliche zukünftig für unser Hobby zu gewinnen.
Besonders schön war es für mich zu sehen, dass vor allem die Kinder einfach „drauflos“ spielten und jede Menge Spaß hatten. Ob sich daraus einmal ein Spielkreis/Verein entwickelt und ob sich die Jungen mit dem Regelwerk und der Spielweise des heutigen organisierten Tipp-Kicks anfreunden würden …???
Aber das Wichtigste ist, dass sie – wie die Lautstärke während der Spiele eindeutig belegt – jede Menge Spaß haben!
Anmerkung der Redaktion:
In der Zwischenzeit erhielt Uwe Szyszka einige Kugellagerspieler, Torhüter und Bälle von André Bialk (TFB Drispenstedt 77) übersandt. Mit diesem Material und einem neuen Spielfeld kann Uwe Szyszka seine nächste Spanienreise beruhigt antreten, vielleicht startet auch er ein Comeback und wenn es nur beim Veteranenturnier auf der DEM 2024 in Villingen-Schwenningen ist.
Japan
Eine Suche in den sozialen Medien lässt erahnen, dass Tipp-Kick in so manchen Winkeln dieser Erde neue Freunde gefunden hat. Exemplarisch ein Blick nach Japan. Insbesondere in Schulen und Kinderbetreuungsstätten spielen Kinder verschiedenen Alters mit aller Ernsthaftigkeit sogar Turniere aus. Ein Fall für unseren Tipp-Kick-Botschafter Peter Funke, aber bitte nicht mit dem Velo anreisen 😁.
Foto: Tipp-Kick-Botschafter Peter Funke auf Tour
Hier einige Eindrücke aus Japan (Quelle: Instagram Japan)
Jochen Mieg (TIPP-KICK GmbH) berichtet von guten Umsatz-Zuwächsen in Frankreich und Spanien – dank Amazon. Natürlich ist der Hersteller auch von verkaufstüchtigen Vorort-Vertretern (z.B. Großhändler) zusätzlich abhängig. So lief das Italien-Geschäft dank der dortigen Vertretung „gut, auch dank der zusätzlichen Amazon-Abverkäufe“.
Neue Märkte gibt es aber auch außerhalb Europas. So schreibt Jochen Mieg: „Nach Korea haben wir Anfang diesen Jahres je 1.000 Spiele TIP-KICK Cup und Junior Cup mit Schachteln in koreanischem Design nebst reichlich Zubehör verkauft.“ Verkauft werden die Spiele von Jade Yoo, immerhin heißt es bei den Tipp-Kick-Spielern: „Sold out“. Wer immer mal sehen wollte, was Tipp-Kick-Bälle in Südkorea kosten, nehme seinen Währungsrechner zur Hand.
Ferner gibt es neue Geschäftsbeziehungen nach Südafrika: „Auch in Südafrika haben wir einen neuen Großhändler gefunden, der gut eingekauft hat. Dort ist aktuell die wirtschaftlich schwierige Gesamtsituation (teilweise Energieabschaltungen, Wasserrationierungen, hohe Zinsen…) Grund für schleppende Verkäufe an Verbraucher.“
Interessant auch die südafrikanischen Preisangaben. Während vor 40 Jahren 1 ZAR noch 5 DM entsprachen, müssen heute fast 5000 ZAR bezahlt werden, also über 200 Euro pro Spiel. Das kann man sich kaum vorstellen.
In der anhängenden Bildergalerie auch noch ein Bild vom National Football Museum in Manchester, das ein historisches Tipp-Kick-Spiel der 30er Jahre in seinem Fundus führt.
Das Beitragsbild (roter Tipp-Kick-Spieler in dem türkischen Amphitheater in Side) stammt von Andreas Schrödter (Spandauer Filzteufel 09).
https://dtkv.info/wp-content/uploads/2023/10/Tipp-Kick-im-Ausland.jpg15362048André Bialkhttps://dtkv.info/wp-content/uploads/2017/05/DTKV-300x132.pngAndré Bialk2023-10-11 12:47:402023-10-17 15:58:57Tipp-Kick im Ausland – Eine historische und heutige Bestandsaufnahme
vom 23. November 2022 bis zum 8. Januar 2023 findet im Staatlichen Museum für Archäologie Chemnitz (smac) eine Ausstellung mit Tischfußballexponaten statt. Weitere Informationen können der angehängten pdf-Datei entnommen werden.